Über die Kandidatur zur Aufnahme des Jodelns auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO wurde bereits im «lebendig» 05/23 berichtet. Nachfolgend einige erklärende Gedanken zu dieser Kandidatur und den Wert im Besonderen für das Jodeln und den EJV.

Immaterielles Kulturerbe der UNESCO

Den meisten unter Ihnen sind wahrscheinlich die Natur- und Kulturstätten bekannt, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. In der Schweiz sind dies zum Beispiel die Altstadt Bern, die Jungfrau-Aletsch Region oder die Weinberg-Terrassen des Lavaux. Etwas weniger bekannt hingegen ist die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit, die ebenfalls von der UNESCO erstellt wird. Sie besteht aus bedeutenden Traditionen, Bräuchen, gesellschaftlichen Praktiken und Handwerkstechniken. Die Schweiz hat zum Beispiel schon die Basler Fasnacht, das Winzerfest von Vevey oder die Uhrmacherkunst auf dieser Liste eingetragen. Im März 2024 erfolgt nun die Eingabe für das Jodeln für einen Platz auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit.

Jodeln

Die Schweiz ist nicht das einzige Land oder Region auf der Erde, die die wortlose auf Silben basierende Art des Singens kennt. In vielen Teilen der Welt wird ebenfalls gejodelt. Es darf aber behauptet werden, dass die Schweiz wohl das grösste Gebiet ist, in welchem das Jodeln gepflegt, überliefert und weitergegeben wird. Dazu kommt, dass die Schweizer Jodelszene sicher die vielfältigste und am meisten entwickelte Jodelvielfalt aufweist. Grund genug diese einzigartige Singweise zu pflegen und den künftigen Generationen weiterzugeben.

Vorgehen für die Eingabebei der UNESCO

Der Gedanke, das Jodeln auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO einzutragen, entstand bereits im Jahr 2014. Damals hatte eine Expertengruppe im Auftrag des Bundesamts für Kultur acht Traditionen, darunter das Jodeln, für einen Eintrag bei der UNESCO vorgeschlagen. Seit Beginn dieses Jahres gilt es nun ernst. Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Verbänden und Institutionen haben sich zu einer Redaktionsgruppe zusammengefunden.

Julien Vuilleumier und Myriam Schleiss vom Bundesamt für Kultur (BAK) sind die verantwortlichen Kräfte dieser Gruppe. Nadja Räss vertritt die Hochschule Luzern (Abteilung Volksmusik), Barbara Betschart das Roothuus-Gonten, Marc-Antoine Camp die Hochschule Luzern (Abteilung Forschung), Gody Studer die Interessen-Gemeinschaft Volkskultur Schweiz (IGV) und Emil Wallimann den EJV. Natürlich sind Gody Studer und Nadja Räss ebenfalls Vertreter des EJV.

Einige Leserinnen und Leser fragen sich jetzt vielleicht, inwiefern die Arbeiten dieser Redaktionsgruppe den Jodelgesang vertreten, wie er innerhalb des EJV gelebt wird, nämlich als lebendiges Brauchtum mit seinen regionalen Eigenarten, seinen ehrenamtlichen Strukturen und seiner Verankerung in der Schweizer Volkskultur? Als Vertreter des EJV in der Redaktionsgruppe kann ich allen versichern, dass das Ziel der Aktion ganz genau in diese Richtung geht. Es wird die Anliegen und die Aktivitäten des EJV sogar bestätigen und bestärken.

Bewahrungsmassnahmen

Seit unzähligen Jahren wird in der Schweiz gejodelt. Daraus sind wunderbare, einfache und gehörfällige Melodien hervorgegangen. Einfache Menschen in den Bergen haben den Jodel gepflegt und auf traditionelle Weise weitergegeben. Dies zu erhalten, steht an erster Stelle. Deshalb verlangt die UNESCO von den Trägerschaften, die eine Kandidatur für einen Eintrag auf der Liste des immateriellen Kulturerbes einreichen, die Angabe von entsprechenden Massnahmen zur Erhaltung und Weiterentwicklung der Tradition.

Um es kurz zu formulieren, heisst das, den Ist-Zustand des Schweizer-Jodelns in all seinen Facetten zu überprüfen, in die Zukunft zu schauen und sich zu überlegen, welche Massnahmen nötig sind, damit die Tradition auch in 50 oder 100 Jahren noch gelebt und weitergegeben wird. Andererseits hat die Eingabe bei der UNESCO einen symbolischen Charakter: Durch die Aufnahme auf der Liste der UNESCO sollen das Jodeln, die Naturjodel sowie die Volksmusik im Allgemeinen mehr Beachtung in den Medien und im öffentlichen Raum erhalten.

Braucht es das?

Wer sich nur in Volksmusikkreisen bewegt und täglich die volkstümlichen Sendungen in den Privatradios hört, wundert sich jetzt sicher, dass es diese Anerkennung durch die UNESCO brauchen soll. Wenn wir das Ganze mal von aussen betrachten, so sieht es nicht so rosig aus. In den offiziellen Medien bildet die Volksmusik klar ein Nischenprodukt, welches ausschliesslich zu dazu bestimmten Zeiten gesendet wird und nicht mehr. Es ist also völlig ausgeschlossen, dass an einem Vormittag mal im Radio SRF 1 ein Zäuerli, ein Ländler oder ein schöner Marsch zu hören wäre. Spricht man im Radio von «Schweizer Musik», so ist damit meistens der Mundartrock oder der volkstümliche Schlager gemeint. Ebenfalls ist an den Schulen das Singen in den letzten Jahren zurückgegangen und wenn noch gesungen wird, dann selten Schweizer Volkslieder. Hier kann die UNESCO-Kandidatur mit entsprechenden Massnahmen ansetzen.

Durch Archive, Notenaufzeichnungen oder Stiftungen (wie die Stiftung des Unterwaldner Naturjodels oder das Roothuus Gonten), sollen die traditionellen Jodel erhalten und weitergegeben werden. Die Forschung soll sich vermehrt dem Thema widmen können, um der Herkunft des Jodels noch mehr auf den Grund zu gehen. In Aus- und Weiterbildungen soll der traditionelle Jodel thematisiert werden, damit künftige Kursleiter/innen und Dirigenten/innen dieses Kulturgut auch korrekt weitergeben. An Schulen soll mehr gesungen werden, wobei unsere eigene Volksmusik eine grössere Rolle spielen soll. Zum Beispiel wäre es wünschenswert, dass alle Schülerinnen und Schüler in den ersten sechs Schuljahren die Schweizer Volksmusik bis hin zum Jodeln kennenlernen. Dies wiederum ruft nach der Notwendigkeit, dass dieses Thema auch in die Ausbildung der Lehrpersonen einfliessen soll. Diese und weitere Massnahmen werden in die UNESCO-Kandidatur einfliessen und so als Grundlage für die weitere Entwicklung des Jodels in der Schweiz dienen können.

Auswirkungen auf den EJV

Obwohl der Zentralvorstand des EJV mit mir in der Redaktionsgruppe nur mit einer Person vertreten ist, wird der Jodlerverband mit grosser Sicherheit einen grossen Nutzen aus dieser Kandidatur ziehen. Der Entscheid zur Aufnahme des Jodelns auf der Liste der UNESCO sollte per Ende 2025 fallen. Der ganze Prozess, aber insbesondere auch das Medienecho nach dem Entscheid der UNESCO, werden bestimmt positive Auswirkungen bis hinunter zu allen Jodelformationen mit sich bringen. Eine grössere Akzeptanz des Jodelgesanges, einen besseren Stellenwert in allen Medien und mehr Volksgesang an den Schulen, könnte unsere Situation wesentlich verändern. Neue Chormitglieder zu gewinnen, könnte einfacher und das Interesse am Besuch eines Jodelkonzertes sicher grösser werden.

Ich bin überzeugt, dass eine Aufnahme des Jodelns auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO einen grossen Gewinn für unser schönes Kulturgut bedeuten wird.

Eingabe und Unterstützung

Zur UNESCO-Eingabe gehören ein ausführliches Formular, welches das Jodeln beschreibt, aber auch alle Gründe, warum das Jodeln in dieser Form bewahrt werden soll, zehn treffende Bilder, welche das Jodeln zeigen sowie ein kurzer Film quer durch die Jodlerlandschaft.

Ein letzter wichtiger Teil ist eine Einverständniserklärung (ein vorverfasstes Formular), welches von ganz vielen Personen aus der Jodelszene ergänzt und unterschrieben werden sollte. Je mehr Personen dieses Dokument einreichen, desto mehr Gewicht und Rückhalt bekommt die Eingabe. Dieser vorbereitete Text kann auf der Webseite des EJV/Jodeln – UNESCO Eingabe – heruntergeladen werden. Diese Briefe müssen mit Originalunterschrift abgegeben werden. Deshalb bitte diesen Brief bearbeiten und unterschreiben und per Post senden an: Emil Wallimann, Allmendstrasse 12, 6373 Ennetbürgen.

Wie geht es weiter?

Im September 2023 wurde die von der Redaktionsgruppe ausgearbeitete Eingabe erneut einer erweiterten Begleitgruppe mit vielen Vertretern aus der Jodel- und Naturjodelszene vorgestellt. Bereits bei einer vergangenen Begleitgruppen-Sitzung gab es viele gute Rückmeldungen, die wir jetzt verarbeiten und einfliessen lassen. Dies dauert nun bis Ende 2023. Im Januar 2024 trifft sich die erweiterte Begleitgruppe ein drittes Mal zu einer abschliessenden Sitzung. Danach folgt die Übersetzung ins Französische und im März sollte die Eingabe für die UNESCO fertiggestellt sein.

Das Jodeln verdient es, geschützt und bewahrt zu werden, sodass auch künftige Generationen aus dieser einzigartigen Musiksparte Kraft, Zuversicht und Lebensfreude ziehen können.